Wie können wir Demokratie stärken?

Von links: Rifat Fersahoglu-Weber, Dunja Kreiser, Dirk Pejril, Melanie Prost, Dirk Bitterberg und Falk Hensel.

Von links: Rifat Fersahoglu-Weber, Dunja Kreiser, Dirk Pejril, Melanie Prost, Dirk Bitterberg und Falk Hensel.

Braunschweig. „Rechtsextremismus in Niedersachsen. Was können Politik und Verbände tun, um die Demokratie zu stärken?“ lautet der Titel einer Veranstaltung zum Internationalen Tag gegen Rassismus, zu der der AWO-Bezirksverband Braunschweig eingeladen hatte.  

 

Im Mittelpunkt stand ein Impulsreferat von Dirk Pejril, Präsident des Niedersächsischen Verfassungsschutzes, mit dem Titel „Entgrenzter Rechtsextremismus und Delegitimierung des Staates – wie entgegenwirken?“ Im Anschluss diskutierte Pejril mit Rifat Fersahoglu-Weber (Vorstandsvorsitzender des AWO-Bezirksverbandes Braunschweig), Dirk Bitterberg (stv. AWO-Vorstandsvorsitzender), Dunja Kreiser (MdB, Mitglied im Ausschuss für Inneres und Heimat) und Melanie Prost (Projektkoordinatorin der externen Koordinierungs- und Fachstelle der Partnerschaft für Demokratie Braunschweig). Moderiert wurde die Diskussion von Verbandssekretär Falk Hensel.

 

„Wir wollen mit dieser Veranstaltung ein Zeichen setzen gegen jede Form von Rassismus und für eine solidarische, vielfältige und offene Gesellschaft“, sagte AWO-Vorstandsvorsitzender Rifat Fersahoglu-Weber. „Diese kann nur in einer Demokratie gedeihen!“ Er verwies auf die Geschichte der AWO, die unter den Nationalsozialisten verboten wurde und deren Anhänger bis in den Tod verfolgt wurden.

 

Gefährlich: Entgrenzter Rechtsextremismus

 

„Die größte Gefahr geht vom Rechtsextremismus aus“, brachte Dirk Pejril seine Erkenntnisse und sein Haltung gleich zu Beginn der Veranstaltung auf den Punkt. Entgrenzter Rechtsextremismus bedeute, dass Rechtsextremist*innen ihre Einstellungsmuster und Positionen in die öffentliche Meinungsbildung einspeisten mit dem Ziel, ihre Positionen zu etablieren und die Grenzen zum Mainstream zu verschieben.

 

Was macht diese Prozesse der Entgrenzung aus Pejrils Sicht so gefährlich? „Organisierte rechtsextremistische Gruppierungen knüpfen gezielt an bereits in der Bevölkerung bestehende Ressentiments und Vorurteile an“, erläuterte der Präsident des Niedersächsischen Verfassungsschutzes. „Durch digitale Kommunikationsmittel ist die Verbreitung rechtsextremistischer Inhalte um ein Vielfaches leichter geworden.“ Im Internet finde rechtspopulistische bis offen rechtsextremistische Propaganda statt, ohne dass eine Korrektur durch eine demokratische Öffentlichkeit erfolgen könne, weil diese Foren nicht auf Diskurs angelegt seien und stattdessen verschwörungstheoretische Sichtweisen pflegten.

 

Verrohung der Sprache

 

Es habe sich eine Mischszene, die zum Teil aus Rechtsextremist*innen, Reichsbürger*innen und Demokratiefeind*innen bestehe, gebildet. Sie sei gekennzeichnet durch Radikalisierung und Verrohung der Sprache: „Es ist ein Vortasten. Die Grenze des Sagbaren wird verschoben. Und aus Worten werden Taten!“ Viele würfen sich aber auch den Schafspelz über, um sich als Wolf zu verstecken.

 

Das Bewusstsein für demokratische Werte müsse daher nachhaltig etabliert werden. Dazu trügen Extremismus-Präventionsmaßnahmen des Landes Niedersachsen bei. „Der Stärkung von Medienkompetenz kommt eine herausragende Bedeutung zu.“

 

Maßnahmen zur Demokratiestärkung

 

In der anschließenden Diskussion zum Thema „Demokratie stärken – aber wie?“ zählte Dunja Kreiser diverse Maßnahmen und Programme zur Demokratiestärkung auf, die im Bereich Wolfenbüttel, Salzgitter und dem Norharz auf den Weg gebracht wurden. Sie sprach sich für eine Verschärfung des Waffengesetzes aus und dafür, dass den Täter*innen klargemacht werden müsse, dass Hetze im Internet illegal sei.

 

Melanie Prost führte konkrete Projekte auf, die in Braunschweig durchgeführt wurden und werden: „Brunchen für das Bleiberecht der Refugium Flüchtlingshilfe mit Informationen und der Ermöglichung von Teilhabe, ein Medienkoffer für geschlechtliche Gleichbehandlung des Vereins für sexuelle Emanzipation, ein Demokratieworkshop im Rathaus, in dem jungen Menschen die Demokratie nähergebracht werden.“

 

Dirk Bitterberg berichtete, dass bereits in den AWO-Kindertagesstätten das Prinzip Teilhabe und Mitentscheiden gelebt werde. Außerdem werde durch das Projekt „Gläserne Stadt“ des AWO-Jugendwerks Demokratie in Braunschweig für junge Menschen erlebbar gemacht.

 

Demokratie den Kindern vorleben

 

Aus dem Publikum meldete sich ein Stadtschülerratssprecher zu Wort und bezeichnete den Stadtschülerrat als „Herzstück der Demokratie“. Bürgermeisterin Annegret Ihbe fügte hinzu, dass die Stadt Braunschweig ein Jugendparlament eingerichtet habe. Ein Zuhörer wünschte sich, dass anstelle des Aufzählens von Projekten und Fördertöpfen den Kindern Demokratie konkret vorgelebt werde, und zwar ähnlich plausibel nachvollziehbar wie beispielsweise die aktuellen Maßnahmen zum Energie sparen.

 

Abschließend bedankte sich Rifat Fersahoglu-Weber bei Dirk Pejril: „Sie haben klare Kante gesprochen! Ich finde es hervorragend, dass Sie den Rechtsextremismus als größte Gefahr herausgestellt haben, denn das ist nicht selbstverständlich!“