Die Flexbetreuung – (ver-)BINDUNGen bauen zwischen Kind, Eltern und ErzieherInnen

von Sabrina Podyma und Nina Schultz aus der stationären Jugendhilfe der AWO

 

Nina und Sabrina sind beide Mütter von kleinen Kindern und arbeiten im Schichtdienst. Bei der Suche nach einer geeigneten Kindertageseinrichtung stellten sie fest, dass es in der Region Braunschweig keine adäquate Institution mit entsprechenden Betreuungszeiten gibt. Die Betreuung ihrer eigenen Kinder stellt sie jede Woche von neuem vor Herausforderungen. Als Expertinnen ihrer Lebenswelt ist genau dies ihre Motivation – sie möchten ein geeignetes Betreuungskonzept entwickeln, das sowohl ihren, als auch den Bedürfnissen anderer betroffener Familien entspricht.

 

Mit ihrer Projektidee möchten die Beiden die Vereinbarkeit von Familie und Beruf innerhalb des AWO-Bezirksverbandes Braunschweig e. V. erhöhen. Sie möchten Familien mit besonderen Bedürfnissen stärken und neue Wege in der Kinderbetreuung gehen. Dies soll als betriebsinterne Betreuungsmöglichkeit für die Kinder von AWO-Mitarbeitenden umgesetzt werden.

 

Ihre Idee fußt auf drei Säulen:

 

1. Betreuungszeiten

 

Die Betreuungszeiten sollen sich nicht verlängern, sondern stattdessen auf der Zeitachse verschoben werden. Hierdurch ergibt sich für Familien mit herausfordernden Arbeitszeiten mehr gemeinsame Familienzeit, wovon Eltern und Kinder gleichermaßen profitieren.

Die tatsächliche Betreuungszeit umfasst eine Zeitspanne von 6 bis 20:30 Uhr; mögliche Betreuungszeiten wären hier z. B. 6 bis 14.30 Uhr, 8 bis 16.30 Uhr oder 12 bis 20.30 Uhr. Die maximale tägliche Betreuungszeit bleibt bei acht bis zehn Stunden. Die Bringzeiten sind flexibel und Woche für Woche unterschiedlich buchbar. Dies alles orientiert sich individuell am jeweiligen Dienstplan der Eltern. Dieses besondere Zeitenmodell ist ein Ergebnis AWO-internen Umfrage des Teams: Hier wurde deutlich, dass der Fokus auf die Randzeitenbetreuung gelegt werden muss.

 

2. Familienzeit in der Einrichtung

 

Auf der Elternebene ist hervorzuheben, dass Eltern als aktive Nutzer*innen angesprochen werden. Dies gelingt, indem sie die Möglichkeit erhalten, täglich an dem Leben ihrer Kinder in der Betreuung teilzunehmen. Auf der Kinderebene soll, statt vielen unterschiedlichen Betreuungsoptionen, ein Wohlfühlort als Betreuungsort geschaffen werden. Aufgrund der besonderen Betreuungszeiten sollen die Übergänge möglichst sanft gestaltet werden. Dies gelingt, indem die Eltern mit ihren Kindern zusammen auf besondere Weise in das Betreuungskonzept mit integriert werden. Die Eltern sind dazu eingeladen, gemeinsame Familienzeit in der Einrichtung zu verbringen. Wechselnde Betreuungszeiten sollen hierdurch entschleunigt werden. Das bedeutet z. B., dass sich die Mutter bei spätem Abholen bewusst noch diese eine Stunde Zeit nimmt, die das Kind noch wach ist, um in der Einrichtung mit Abendbrot zu essen oder zu spielen, bevor sie das Kind bettfertig ins Auto setzt und nach Hause fährt. Auf der Erzieher*innenebene ergibt sich die Besonderheit, eine Gemeinschaft mit den Eltern und Kindern zu leben.

 

3. Notfall-Nachtbetreuung

 

Die Notfall-Nachtbetreuung (20.30 bis 6 Uhr) soll von einer Tagespflegeperson auf selbständiger Basis in den gewohnten Kita-Räumen sichergestellt werden. Diese Tagespflegeperson kann maximal fünf Kinder pro Nacht betreuen. Das Besondere ist, dass sich dieses Angebot nicht nur an die eigenen Kita-Familien richtet, sondern stattdessen potenziell für alle Familien in Braunschweig geöffnet werden soll.

 

Hier finden Sie den Abschluss-Pitch des Teams als Video.

 

Hier finden Sie den Ideensteckbrief als PDF

 

Aktueller Stand: Sabrinas und Ninas Idee konnte überzeugen. Sie erhielten im Oktober 2020 einen Projektauftrag mit dem Ziel der Erprobung eines flexiblen Betreuungskonzepts im Rahmen einer Modellgruppe in einer Kita (z. B. bei einer neuen Kita, die auf dem AWO-Kampus entstehen soll, oder in einer bestehenden Kita). Zunächst soll ein Umsetzungsplan unter Berücksichtigung der strategischen Überlegungen zum neuen Kita-Bau erstellt werden. Außerdem soll die Projektgruppe das Konzept vor allem vor dem Hintergrund finanzieller und strategischer Überlegungen überarbeiten, so dass es als Grundlage für Gespräche mit dem Jugendamt verwendet werden kann. Ein erstes Projekttreffen ist für November 2020 geplant.